Grundlagen für das Gesellschaftliche Unternehmen
Leseprobe 1
 
aus dem Buch „Grundlagen für das Gesellschaftlichen Unternehmen”


Vorwort

Im Jahr 2006 gründete der Nobelpreisträger Muhammad Yunus gemeinsam mit dem französischen Getränke- und Lebensmittelkonzern Danone das Unternehmen Grameen Danone, um die weitverbreitete Mangelernährung von Kindern in Bangladesch durch selbstloses Wirtschaften zu bekämpfen. Kurz darauf stellt YUNUS in seinem Buch Creating a World Without Poverty das diesem Unternehmen zugrundeliegende Konzept namens „Social Business“ vor.

An dieser Stelle ist eine Anmerkung notwendig, um von Beginn an Unklarheiten auszuschließen: Der Name Muhammad Yunus wird derzeit noch mehr mit dem Konzept der Mikrokredite verbunden, als mit dem Social Business Konzept. Das ist verständlich, da er für seine Leistungen im Bereich der Mikrokredite den Friedennobelpreis erhalten hat. Dennoch, das Konzept der Mikrokreditsysteme ist von jenem des Social Business grundsätzlich zu unterscheiden und nur auf Letzteres stützt sich die vorliegende Arbeit.

Seit dem Jahr 2006 gründete YUNUS weitere Unternehmen nach dem Konzept des Social Business, die alle das Ziel haben, Menschen aus der Armut zu helfen. Armut, insbesondere niedrige Einkommen und hohe Lebenshaltungskosten, bedroht bzw. beeinträchtigt nicht nur in Bangladesch, sondern auch in Österreich – wenn auch zum Glück nicht im selben Ausmaß – das Leben vieler Menschen. Die vorliegende Arbeit führt in das Thema Social Business ein und verortet es unter den bereits existierenden Konzepten.

Dazu eine weitere Anmerkung: Die Idee, dass im Wirtschaftsbereich uneigennützig gehandelt werden sollte, um soziale oder gesellschaftliche Probleme zu lösen, hat natürlich nicht Muhammad Yunus erfunden, sondern ist bereits sehr alt. Im Laufe der Geschichte ist sie in den unterschiedlichsten Varianten aufgetreten und auch heute noch in verschiedensten Formen erkennbar. Als Beispiele mögen dienen: Die Armenversorgung durch Klöster im Mittelalter, die Genossenschaftsbewegung, das Vereinswesen, gemeinwirtschaftliche Betriebe, das Stiftungswesen, der Nonprofit-Sektor oder die Corporate-Social-Responsibility-Bewegung.

Was aber unterscheidet Social Business von bereits existierenden Erscheinungen? Für den Praktiker YUNUS stellt sich diese Frage nicht unbedingt. Er beschreibt seine Ausgangssituation angesichts der Probleme in Bangladesch folgendermaßen:

„When your house is burning you don’t go and look through the Google what burning is all about or don’t rush to the library to find out the history of burning. You just jump at it. Even if you don’t have water you throw dust – whatever you can do. So that’s the kind of thing we did.”[1]

In erster Linie geht es YUNUS darum, etwas gegen die gravierenden Probleme im Bangladesch des 21. Jahrhunderts zu tun und Social Business ist eine seiner Antworten auf die Armut im Land.

Im Gegensatz zum Praktiker, interessiert den Wissenschafter natürlich die Frage: Was ist anders bzw. neu an Social Business und was nicht? Wenn man verschiedene Erscheinungen des Wirtschaftens, wie die oben genannten, vergleichen möchte, ist es sinnvoll zwischen drei Betrachtungsebenen zu unterscheiden und folgendermaßen nach ihnen zu fragen: Erstens, was ist das Konzept, die Idee, die einem Unternehmen zugrundeliegt? Der Betriebswirt würde in ähnlicher Weise auch vom sogenannten Geschäftsmodell sprechen. Zweitens, in welcher Rechtsform ist das Unternehmen organisiert? Welche Möglichkeiten gibt es diese Rechtsform im Detail auszugestalten? Drittens, wie sieht die praktische Umsetzung aus, also wie handelt das Unternehmen tatsächlich? Ich hoffe die ausdrückliche Erwähnung dieser drei Betrachtungsebene dient, vor allem dem Praktiker, zur leichteren Verständnis des vorliegenden Textes.

Nach der Verortung des Social Business Konzepts unter den bereits existierenden Konzepten, wird es im nächsten Schritt für den Einsatz in westlichen Dienstleistungsgesellschaften adaptiert. Es wird eine neue Rechtsform vorgeschlagen – auf Deutsch: das Gesellschaftliche Unternehmen. Das Gesellschaftliche Unternehmen erscheint als ein wichtiger Baustein zur Anpassung des Wirtschaftssystems hin zu einer sozialeren und ökologischeren Marktwirtschaft. Es bietet auch eine Antwort auf die heikle Frage der Vereinbarkeit von wirtschaftlichem und sozialen Handeln. Es kann daher große Bedeutung für die Privatwirtschaft, den öffentlichen Sektor, sowie für den Nonprofit-Sektor entfalten.

Auch vor dem Hintergrund der im Jahr 2007 ausgelösten Finanz- und der darauffolgenden Wirtschaftskrise ist das Konzept des Gesellschaftlichen Unternehmens spannend, da es statt Profitmaximierung die Lösung von gesellschaftlichen Problemen, was immer man darunter versteht, als Funktion von Unternehmen begreift.

Hervorzuheben ist außerdem, dass die Gründung solcher Gesellschaftlicher Unternehmen, wenn auch derzeit mit mehr Schwierigkeiten verbunden als es sein müsste, doch bereits heute möglich ist, also nicht vom politischen Willen des Gesetzgebers abhängt!

Zu erwähnen bleibt noch, dass das vorliegende Buch auf meiner im Februar 2010 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz eingereichten Diplomarbeit [2] beruht. Der ursprüngliche Anhang wurde entfernt und Serviceteil, Index sowie dieses Vorwort hinzugefügt. Hinsichtlich der österreichischen Rechtslage hat sich seitdem nichts für die Gründung eines Gesellschaftlichen Unternehmens Wesentliches geändert. Im Mai 2010 erschien das derzeit aktuellste Buch von YUNUS – Building Social Business, The New Kind of Capitalism that Serves Humanity’s Most Pressing Needs. Er erwähnt nun auch das Problem, dass Social Business jederzeit in profitmaximierende Unternehmen umgewandelt werden können und dass es bislang keine eigene Rechtsform für Social Businesses gibt. Er diskutiert verschiedene Gesetzesvorhaben und kürzlich eingeführte Gesetze, die Züges des Social Business Konzepts aufweisen. Schließlich tritt er für eine klare Umsetzung, für die kompromisslose rechtliche Institutionalisierung seines Social Business Konzepts ein. Diesem Anliegen widmet sich die vorliegende Arbeit.

Danken möchte ich ganz besonders meinem Vater, der nicht nur mit der einfachen Frage: „Wie würde man denn ein Social Business in Österreich verwirklichen?“, den Anstoß für die vorliegende Arbeit geliefert hat, sondern auch, immer wenn es notwendig war, mir als Diskussionspartner zur Seite stand. Für die emotionale Unterstützung danke ich meiner lieben Mutter. Herzlich danken möchte ich auch Univ.-Prof. Dr. Joseph Marko dafür, dass ich mich mit diesem ungewöhnlichen Thema im Rahmen meiner Diplomarbeit, überhaupt auseinandersetzen durfte. Ich bedanke mich für die finanzielle Unterstützung und für die Ermutigung zu interdisziplinärem Denken bei den vielen mittragenden Personen des Studienförderungswerkes Pro Scientia. Ich bedanke mich für das Förderungsstipendium der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Karl-Franzens-Universität Graz und für den Förderpreis der Arbeiterkammer Steiermark für Diplomarbeiten. Mein besonderer Dank geht auch an Prof. Mag. Herbert Klein vom Neuen Wissenschaftlichen Verlag, der diese Publikation ermöglicht und professionell betreut hat.

Thomas Leitner, Bozen – Graz, Februar 2011.


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[1] So Yunus in seinem Vortrag „Social Business – A New Sector in the World’s Global Economy“, gehalten am 8.11.2009 im Rahmen des Vision Summit 2009 an der Freien Universität Berlin. Abrufbar unter: http://www.visionsummit.org/index000.html?&L=1, zuletzt abgerufen am 15. Februar 2011.

[2] Leitner, Möglichkeiten der Gründung von Gesellschaftlichen Unternehmen im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung, Das Konzept Social Business des Muhammad Yunus als rechtliche Funktion (2010).

© Thomas Leitner zuletzt geändert: August 12, 2016