Grundlagen für das Gesellschaftliche Unternehmen
Leseprobe 2
 
aus dem Buch „Grundlagen für das Gesellschaftlichen Unternehmen”


A Social Business nach Muhammad Yunus

A.1 Die Theorie

Social Business ist ein Konzept einer neuen Art von Unternehmen, das von Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus stammt:

„Social business is a cause-driven business. In a social business, the investors/owners can gradually recoup the money invested, but cannot take any dividend beyond that point. Purpose of the investment is purely to achieve one or more social objectives through the operation of the company, no personal gain is desired by the investors. The company must cover all costs and make profit, at the same time achieve the social objective, such as, healthcare for the poor, housing for the poor, financial services for the poor, nutrition for malnourished children, providing safe drinking water, introducing renewable energy, etc. in a business way.” [5]

Der Unterschied zwischen Social Business und konventionellen Unternehmen liegt in der Zwecksetzung: Während konventionelle Unternehmen primär versuchen ihren Profit zu maximieren, verfolgen Social Business primär „social objectives“ – sie versuchen Probleme zu lösen, die die Gesellschaft betreffen. Im Übrigen, beispielsweise hinsichtlich Organisationsstruktur und Arbeitsweise, funktioniert ein Social Business wie jedes profitmaximierende Unternehmen. Es beschäftigt Arbeitnehmer zu marktüblichen Gehältern, stellt möglichst effizient Waren oder Dienstleistungen her und verkauft diese am Markt zu Preisen, die zur Selbsterhaltung notwendig sind. Dabei steht das Social Business in Konkurrenz zu anderen Social Business oder anderen profitmaximierenden Unternehmen.[6]

Die Lösung eines „social objective“ steht also an erster Stelle. Darauf sollen sich alle Anstrengungen und die gesamte Aufmerksamkeit konzentrieren. YUNUS spricht auch von einer Form des selbstlosen Wirtschaftens. Der Wunsch nach Profitmaximierung würde davon ablenken. Um ihn gar nicht erst aufkommen zu lassen, sagt YUNUS, dass ein Social Business keinen Gewinn ausschütten darf. Als Grund für die Einhaltung dieses Gewinnausschüttungsverbots führt YUNUS an: „[our]...Investors don’t want to take money out, not because somebody stops them to do that.” [7] Es kann also jeder ein Social Business gründen, indem er sich freiwillig an die Anforderungen von Social Business hält – sich also selbst (moralisch) bindet. Weiters auf die Frage: „What if somebody dies who owns a social business, somebody takes it over and wants to take out as much profit as possible or wants to sell it for a lot of profit?“ antwortete Stephen A. Vogel, CEO von Grameen America, stellvertretend für das Grameen Team: „The culture of the company will be so strong, that that will never become an issue.”[8] Eine optimistische Antwort. Dafür spricht, dass Muhammad Yunus und sein Team seit etwa drei Jahrzehnten – beginnend mit der Vergabe von Mikrokrediten – unglaubliche Arbeit in der Armutsbekämpfung geleistet haben.

Doch hier stellt sich die Frage, wie Social Business in anderen Ländern verwirklicht werden kann, in denen keine moralische Autorität wie Muhammad Yunus tätig ist. Wieso sollte man ein Social Business fördern, wenn dieses jederzeit seine Selbstverpflichtung aufheben und sich der Profitmaximierung verschreiben könnte? Die Frage ist also, wie ein Social Business glaubwürdig sein kann, ohne an seiner Spitze einen Friedensnobelpreisträger oder eine andere glaubwürdige Person zu benötigen.

Eine mögliche Antwort ist: Glaubwürdigkeit kann auch durch rechtliche Bindung und deren Durchsetzung hergestellt werden. Wo die Moral nicht ausreichend stark ist, kann das Rechtssystem unterstützend eingreifen. Daraus resultiert die Kernfrage der vorliegenden Arbeit, die gleichzeitig Anstoß war:

Wie kann ein Social Business durch Rechtsregeln – also als rechtliche Institution – im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung durch Private verwirklicht werden?

A.2 Beispiele für Social Business

YUNUS hat seit 2006 eine Reihe von Unternehmen als Social Business, meist als Joint Venture mit internationalen Großkonzernen gegründet, die vor allem in Bangladesch tätig sind. Zum Beispiel:

  • Grameen Danone ist ein Joint-Venture der Unternehmen Grameen und Danone und verkauft Joghurt für Kinder, das wichtige Nährstoffe enthält, um die weit verbreitete Mangelernährung zu bekämpfen.
  • Grameen BASF ist ein zweites Social Business das durch den Verkauf von Moskitonetzen Malaria und durch Nahrungsergänzungsmittel ebenfalls Mangelernährung bekämpft.
  • Grameen Veolia verkauft Trinkwasser und versucht so das Problem, dass in Bangladesch viele Menschen mit Arsen verseuchtes Wasser trinken müssen, in den Griff zu bekommen.
  • Grameen GC Eye Care Hospital werden Menschen, die an grauem Star leiden operiert. Mittlerweile ist die Qualität der Eingriffe so hoch, dass sogar Menschen aus der westlichen Welt nach Bangladesch fliegen, um sich dort operieren zu lassen.[9]
All diese aufgezählten Unternehmen verkaufen hochwertige Produkte zu einem Preis, den sich auch arme Menschen leisten können. Sie sind laut YUNUS selbsterhaltungsfähig und schütten keinen Gewinn aus.[10] Nutzen ergibt sich für die Partnerunternehmen durch den Imagegewinn, und durch die Erfahrungen, die sie in diesen Zukunftsmärkten sammeln.


Zurück Zur Leseproben-Übersicht





[5] http://www.muhammadyunus.org/Social-Business/social-business/, 16.11.2009; eine ähnliche Beschreibung findet sich schon in Yunus, Creating a World Without Poverty (2007) xvi und 28 – wo Yunus auch eine zweite Definition von Social Business verwendet: Social Business nennt er alternativ jedes profitmaximierende Unternehmen, wenn es den Armen gehört, seine Gewinne daher nur an sie ausschüttet. In der vorliegenden Arbeit wird allerdings nur auf den ersten Typ von Social Business, der im Kerngeschäft ein „social objective“ verfolgt, eingegangen.

Siehe auch die sieben Prinzipien, die Yunus für Social Business aufstellt – http://www.muhammadyunus.org/Social-Business/seven-principles-of-social-business, 16.11.2009.

[6] Vgl. Yunus, Poverty 21 f.

[7] So Yunus in seinem Vortrag am 7.11.2009 im Rahmen der Vision Days 2009 an der Freien Universität Berlin.

[8] Ich stellte diese Frage im Rahmen des Vision Summit 2009, der auf der Freien Universität Berlin am 8.11.2009 stattgefunden hat.

[9] Vgl. http://www.muhammadyunus.org/Social-Business, 16.11.2009.

[10] Eigentlich widersprüchlich ist in der Joint Venture Vereinbarung zur Gründung von Grameen Danone Foods: „Even after capital amount is paid back, GDF (company) will pay a 1 percent dividend annually to the shareholders.” (Yunus, Social Business Entrepreneurs are the solution, in Spitzeck/Pirson/Amanng/Khan/ von Kimakowitz [Hrsg], Humanism in Business [2008] 402 ff [412]). Die Dividende von 1% verstößt zwar gegen das von YUNUS propagierte Prinzip, ist aber wohl als pragmatischer Kompromiss zu werten.

© Thomas Leitner zuletzt geändert: August 12, 2016