Grundlagen für das Gesellschaftliche Unternehmen
Leseprobe 4
 
aus dem Buch „Grundlagen für das Gesellschaftlichen Unternehmen”


C Das Gesellschaftliche Unternehmen als rechtliche Institution

Hier soll vermittelt werden, wozu ein Gesellschaftliches Unternehmen als rechtliche Institution möglicherweise beitragen kann. Ob Social Business tatsächlich ein Werkzeug ist, mit dem man gewisse in Österreich bestehende Probleme besser lösen kann, als mit schon bestehenden Problemlösungsmustern kann nur die österreichische Realität beantworten.

1 Funktion bzw. Zweck

Das Gesellschaftliche Unternehmen soll wie jedes Wirtschaftsunternehmen ein Bedürfnis befriedigen bzw. ein Versorgungsproblem lösen. Das ist beispielsweise der Mangel an hochwertiger und günstiger Bildung, Elektrizität, Kleidung, Nachrichten bzw. Informationen, Nahrung, Wasser oder Wohnraum.[25] Es handelt sich also um Probleme, die viele Menschen einer Gesellschaft in gleicher Weise betreffen. Daher wird hier nicht von „sozialen“ (siehe FN 20), sondern von „gesellschaftlichen“ Problemen gesprochen.

Das bedeutet nicht, dass es neben Versorgungsproblemen nicht auch andere gesellschaftliche Probleme gibt. Um ein gesellschaftliches Problem, im hier verstandenen Sinn, zu lösen verkauft ein GU möglichst hochwertige und möglichst günstige Waren und Dienstleistungen an Jedermann der sie braucht. Das ist gesellschaftsrechtlich betrachtet sein Unternehmensgegenstand. Der Unternehmensgegenstand des Gesellschaftlichen Unternehmens ist also derselbe wie der bei konventionellen Unternehmen, nämlich die Deckung eines Bedarfs.

Während allerdings konventionelle Unternehmen ihren Profit maximieren wollen, ist das Ziel des Social Business das Preis-Leistungs-Verhältnis zu optimieren. Die Konsumenten – also die vom Versorgungsproblem Betroffenen (dazu näher unter II.D.4.) – oder anders ausgedrückt: die Allgemeinheit – wird wirtschaftlich gefördert und zwar durch Senkung ihrer Kosten. In Summe senken Gesellschaftliche Unternehmen die Lebenshaltungskosten. Das ist die Funktion – in gesellschaftsrechtlicher Diktion: der Zweck – des Gesellschaftlichen Unternehmens.

2 Mögliche positive Nebeneffekte

a) Mögliche positive Nebeneffekte aus betriebswirtschaftlicher Sicht

aa) Stärkere Konkurrenzfähigkeit

Ein Social Business ist besser mit Kapital ausgestattet als ein Unternehmen, das Gewinne ausschüttet. Der im Social Business verbleibende Gewinn kann verwendet werden, um das Produkt noch besser oder noch günstiger zu machen oder um zu expandieren. Daher ist ein Social Business tendenziell konkurrenzfähiger und krisenfester als ein konventionelles Unternehmen.

ab) Mehr Betätigungsraum

Für profitmaximierende Unternehmen sind Marktsegmente bei denen weniger als etwa 15% Return on Investment zu erwarten sind, nicht attraktiv. Da es jedoch nicht Ziel eines Social Business ist den Profit zu maximieren, kann es eher als konventionelle Unternehmen auch in diesen weniger profitablen Marktsegmenten tätig werden. Social Business hat also mehr Betätigungsraum als konventionelle Unternehmen.

ac) Höhere Glaubwürdigkeit

Social Business sind auf Grund ihrer Stoßrichtung des selbstlosen Wirtschaftens tendenziell glaubwürdiger als profitmaximierende Unternehmen. Dieses Mehr an Glaubwürdigkeit könnte bewirken, dass ein Social Business für Marketing weniger Geld ausgeben muss, leichter motiviertere und besser qualifizierte Arbeitnehmer anzieht und eher Hilfe von außen – durch Dritte die ehrenamtlich partizipieren wollen – erhält.

ad) Längerer Planungshorizont – höhere Krisenfestigkeit

Im Unterschied zu Aktiengesellschaften, die einen kurzfristigen, teils quartalsweisen, Planungshorizont haben, ermöglicht die Entbindung von der Verpflichtung den Aktienkurs zu steigern und eine Dividende auszuschütten eine längerfristige Planung. Daher ist mit mehr Nachhaltigkeit und einer höheren Krisenfestigkeit des Social Business zu rechnen.

b) Mögliche positive Nebeneffekte aus volkswirtschaftlicher Sicht

ba) Eine Antwort auf ein Marktversagen

Social Business könnte eine mögliche Antwort auf ein Marktversagen sein. Zum Beispiel auf Grund von Monopolstellungen und künstlich hochgehaltener Preise: Ein Unternehmen, das eben keinen Profit erzielen möchte, könnte im Fall von Monopolstellungen oder Preisabsprachen den Markt aufwirbeln, indem es Produkte wesentlich unter dem Marktpreis anbietet, da dieser weit über dem Selbstkostenpreis liegt.

bb) Nachteile auf Grund von Informationsasymmetrien mildern

Wenn der Wert einer Leistung vom Konsumenten schwer beurteilt und auch nicht von Dritten überprüft werden kann, so stellt dies ein Problem dar. Als Beispiele werden unter anderen in der Literatur[26] angeführt, dass es für Eltern schwer nachvollziehbar ist, ob in einer Kindertagesstätte ihr Kind mit der Aufmerksamkeit und Fürsorglichkeit behandelt wird, die sie erwarten. Oder, dass es für Patienten und sogar für einen Arzt schwierig sein kann die Blutqualität einer Transfusion zu beurteilen. Das ist deshalb ein Problem, weil profitmaximierende Unternehmen ihren Informationsvorteil ausnutzen können. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das ineffizient. Demgegenüber ist bei Unternehmen bei denen kein Manager oder Anteilseigner diesen Vorteil ausnutzen kann ohne dadurch rechtswidrig zu handeln, der Anreiz diesen Informationsvorteil wirklich auszunützen kleiner, als bei profitmaximierenden Unternehmen.[27]

bc) Internalisierung von externen Effekten fördern

Ähnliches wie für Informationsasymmetrien gilt auch für externe Effekte: Unternehmen sind oft auf Kosten anderer Stakeholder, beispielsweise der Umwelt, tätig. Um zu beurteilen ob die Herstellung eines Produktes aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist, muss man wissen, wie groß der Nutzen ist, den das Unternehmen generiert und andererseits wie hoch der Schaden ist, den das Unternehmen bei anderen verursacht – egal ob das Unternehmen tatsächlich für diesen Schaden aufkommt oder nicht.

Ein Unternehmen kann also betriebswirtschaftlich gesehen profitabel sein, aber gesamtwirtschaftlich mehr Schaden als Nutzen erzeugen. Natürlich versuchen gesetzliche Vorschriften – zum Beispiel Umweltschutzvorschriften – dies zu verhindern.

Soweit das aber nicht völlig gelingt, kann das Konzept des Social Business sinnvoll sein: Wie schon oben erwähnt kann durch den Betrieb eines Gesellschaftlichen Unternehmens niemand – ohne rechtswidrig zu handeln – daraus für sich einen Vorteil schlagen. Der Anreiz gewisse Kosten nicht zu internalisieren, ist daher bei einem Gesellschaftlichen Unternehmen tendenziell geringer. (Zum möglichen, daraus resultierenden Selbstverständnis siehe II.D.4.)

bd) Eine Antwort auf Finanz- und Wirtschaftskrise

Die Eigendynamik des profitmaximierenden Kapitalmarktes haben im Jahr 2007 zur Entstehung der Finanz- und Wirtschaftskrise geführt. Wären Banken als Social Business organisiert, wäre die Gefahr, dass sich eine solche Finanzkrise wiederholt, geringer. Denn das Ziel von Social Business ist gerade nicht die Profitmaximierung, sondern die Lösung eines gesellschaftlichen Problems.

be) Ein Beitrag zu einem verkraftbaren Wirtschaftswachstum

Die Ressourcen auf der Erde sind begrenzt und trotz technologischen Fortschritts kann es kein fortwährendes Wachstum geben.[28] Daher stellte sich die Frage wie ein Nullwachstum, also ein Zustand wirtschaftlichen Gleichgewichts aussehen könnte. Laut BINSWANGER ist so ein Zustand im jetzigen Wirtschaftssystem aufgrund der Funktionsweise der Geldwirtschaft gar nicht möglich: Wirtschaft kann nur wachsen oder schrumpfen.[29]

Ob man ein Nullwachstum für möglich hält oder, BINSWANGER folgend von Wachstumszwang ausgeht, spielt aber hier für die Grundtendenz keine Rolle: Der Wachstumsdrang bzw. Wachstumszwang und die mit ihm einhergehenden ökologischen und sozialen Gefahren[30] wären geringer, wenn Unternehmen keinen Gewinn ausschütten müssten, beziehungsweise dürften. Social Business könnte ein Beitrag zu einem verkraftbaren Wachstum der Wirtschaft sein.[31]

Wie schon am Beginn dieses Abschnitts erwähnt, wird nur die Realität zeigen ob ein Social Business tatsächlich die hier beschriebene Funktion erfüllen kann und die aufgezählten positiven Nebeneffekte mit sich bringt. Aber noch einmal soll – YUNUS[32] folgend – betont werden: Dieses Konzept schränkt niemanden ein, sondern ist einfach eine zusätzliche Möglichkeit – ein weiteres Werkzeug – mit dem man möglicherweise gewisse Probleme, die die Gesellschaft betreffen, besser lösen kann als mittels anderer schon bestehender Problemlösungswerkzeuge – wie staatlichen Einrichtungen oder profitmaximierenden Unternehmen. Man könnte auch sagen: Das Gesellschaftliche Unternehmen stärkt die Idee der sozialen Marktwirtschaft.


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[25] Allgemeiner formuliert ist das Problem die mangelnde Befriedigung von Grundbedürfnissen, auch wenn nicht vollkommen klar ist, welche Bedürfnisse zu diesen gehören. Das Bedürfnis nach möglichst qualitativen und günstigen Waffen gehört jedenfalls nicht zu ihnen.

[26] So Steinberg/Weisbrod, non-profit organizations, in Durlauf/Blume (Hrsg), The New Palgrave Dictionary of Economics (2008) Volume 6, 119.

[27] Dieser Gedanke geht wohl auf Hansmann zurück – Hansmann, The Role of Nonprofit Enterprise, in The Yale Law Journal 1980, 835 (843 – 845).

[28] So schon der Bericht des Club of Rome im Jahr 1972 – Meadows/Meadows/Zahn/Milling, Die Grenzen des Wachstums 74, 131 f.

[29] Hier eine vereinfachte Begründung: Ein Unternehmen braucht Kapital um seine zukünftige Produktion zu finanzieren. Durch den Verkauf soll dann – zu einem zukünftigen Zeitpunkt – der Vorschuss und auch die Löhne der Angestellten zurückbezahlt werden. Es besteht aber ein gewisses Risiko, dass das Unternehmen dazu nicht in der Lage sein wird. Daher wird jemand diesem Unternehmen nur dann Kapital geben (typischerweise ist das eine Bank – in diesem Fall findet auch der Prozess der Geldschöpfung statt), wenn er Aussicht auf zumindest soviel Gewinn hat, um dieses Risiko abzudecken und wenn er zudem eine entsprechende Verzinsung erhält. Das Unternehmen muss also wachsen. Das gilt für alle Unternehmen. Daher kann die Wirtschaft kein Nullsummenspiel sein, sondern muss als Ganzes wachsen! (Binswanger, Die Wachstumsspirale [2006] 364 ff.)

Die von Binswanger beschriebene minimale Wachstumsrate der Weltwirtschaft liegt bei etwa 1,8 % und zwar unter der Bedingung eines einheitlichen Währungsraums und ohne dabei regionale Differenzierungen zu berücksichtigen (Binswanger, Wachstumsspirale 345).

[30] Vgl. Binswanger, Wachstumsspirale 373 f.

[31] Dank gebührt Hans Christoph Binswanger, der diesen Sachverhalt am 8. September 2009 mit mir diskutierte und das Konzept des Social Business auch aus volkswirtschaftlicher Sicht für verfolgenswert bezeichnete.

[32] So Yunus in seinem Vortrag „Social Business – A New Sector in the World’s Global Economy“ am 8.11.2009 im Rahmen des Vision Summit 2009 an der Freien Universität Berlin.

© Thomas Leitner zuletzt geändert: August 12, 2016